Matthias Gräub

Rote Augen, geschwollene Wangen, Kopfweh und geistige Totalkapitulation passen eigentlich ganz gut in die Symptomliste dieser harmlosen Erkältung. Diese nannten sie aber nicht einfach Schnupfen – bitte sehr, wir sprechen schliesslich immer noch von Studenten – sondern «Katarrh» vom lateinischen «Catarrhus». Das Wort, das wir noch immer kennen für eine fiese Entzündung der Schleimhäute, klingt doch ganz nah am gesuchten Begriff «Kater». Und – richtig geraten – die Studenten, lustig wie sie waren, tauften den Katarrh kurzerhand volksetymologisch in den Kater um und erfreuen sich bis heute schmerzenden Kopfes daran.
Vier Bier, zwei Flaschen Wein und ein paar tüchtige Schluck Zwetschgenschnaps, das perfekte Rezept für einen ordentlichen Kater. Doch woher stammt dieser tierische Begriff für ein solch menschliches Leiden?
Morgens, halb sieben, mein Kopf ist so schwer, als hätte ihn jemand aufgebohrt, Zement reingeschüttet und halbwegs wieder zugepflastert. So fühlt er sich auch an. Trotzdem muß ich an die Arbeit, muß einen Artikel schreiben, eine Redensart erklären. Irgendwas mit Tieren.
Im Büro angekommen sollte ich mir ein Thema überlegen und dann ran an die Arbeit, werde schliesslich nicht fürs Rumsitzen bezahlt. Konzentration? Keine Chance! Mit solch einem Kater bin ich überhaupt nicht zu gebrau… HEY! Moment! Kater! Das ist es. Wieso sagen wir eigentlich, wir haben einen Kater?
Ansätze aus der Halbtrunkenheit
Ein Selbstversuch bringt mich schon mal auf die richtige Spur, glaube ich jedenfalls. Mein Mund ist nämlich vom gestrigen, etwas ausufernden AlkoholgeNuß ganz trocken und – ja genau – pelzig. Als hätte ich ein lebloses Meerschweinchen im Mund. Oder eben einen Kater.
Außerdem erinnere ich mich an heute früh, als der Wecker klingelte. Ich Riß gewaltsam die Augen auf und betätigte den Lichtschalter. Sofort erfasste mich eine grelle Lichtwelle, die meinen Schädel fast zum Zerspringen brachte. Katzen haben auch gute Augen. Die sehen auch in der Nacht gut und tagsüber alles greller. Denke ich zumindest. Vielleicht sehe ich nach durchzechter Nacht wie eine Katze, wie ein Kater halt.
Schon etwas besser in Schwung
Das schöne am Kater ist, je mehr Zeit vergeht, desto schwächer wird er, bis irgendwann ein Punkt erreicht ist, an dem man richtig dankbar für einen kopfschmerzfreien, klaren Gedanken ist. In einem solchen Moment versuche ich es mit ein wenig Recherche und siehe da, es kommen intelligentere Erklärungen dabei raus als eben noch.
Hier zum Beispiel: Das «wohlangelegt- und kurtz gefaßte Haußhaltungs-Magazin» aus dem Jahre 1730 (dessen Titel eigentlich gar nicht so kurz gefasst ist und eine gesamte Seite einnimmt) listet neben biblischen Speisen und Getränken auch ein beträchtliches Sortiment an Bieren auf.
Ausschnitt aus: Das wohlangelegt- und kurtz gefaßte Haußhaltungs-Magazin (1730)
Der «Kater» hierunter ist das Bier aus Stade bei Wittenberg – ausgerechnet das Wittenberg, in dem Reformator Luther gewirbelt hatte. Anscheinend war das Stader Bier eine eher üble Sosse und hat bei den trinkfreudigeren Lutheranern öfters mal einen üblen Nachtag erwirkt.
Doch diese Erklärung kann noch nicht die ganze Geschichte sein.
Jetzt wird’s derb
In Wirklichkeit ist die Redensart «Einen Kater haben» im derben 19. Jahrhundert anzusiedeln. Dort, wo sich Intelligenz und trunkene Blödheit die Klinke in die Hand geben: In der Studentenschaft.
Und hier müssen zweierlei Quellen herangezogen werden, die vermutlich beide zur Schöpfung des Begriffs «Kater beigetragen haben».
Zum einen ist das der derbe Begriff «Kotzenjammer», der 1848 sogar Eingang in die Berliner Gesellschaft für Deutsche Sprache findet. Dieser wandelt sich vom bemitleidenswerten Erbrechen schnell zum «Katzenjammer» um und irgendwann – wohl, weil kürzer – zum Kater.

Der «Kotzenjammer» in: Germania, Band 8, 1848 (Jahrbuch der Berlinischen Ges. für dt. Sprache und Altertumskunde
Ausreden, nichts als Ausreden
Findige Leipziger Studenten kamen irgendwann auf die Idee, ihren Kater am Tag nach einer rauschenden Verbindungsfete vor ihren Professoren zu legitimieren. Anstatt ihnen nun mit Mundgeruch die Wahrheit ins Gesicht zu hauchen, tarnten sie ihr Unbehagen als ganz besonders heimtückischen Schnupfen.
Rote Augen, geschwollene Wangen, Kopfweh und geistige Totalkapitulation passen eigentlich ganz gut in die Symptomliste dieser harmlosen Erkältung. Diese nannten sie aber nicht einfach Schnupfen – bitte sehr, wir sprechen schliesslich immer noch von Studenten – sondern «Katarrh» vom lateinischen «Catarrhus».
Das Wort, das wir noch immer kennen für eine fiese Entzündung der Schleimhäute, klingt doch ganz nah am gesuchten Begriff «Kater». Und – richtig geraten – die Studenten, lustig wie sie waren, tauften den Katarrh kurzerhand volksetymologisch in den Kater um und erfreuen sich bis heute schmerzenden Kopfes daran.
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